Das war fast ein kleiner Schock, als ich in den letzten Exerzitien von meiner Begleiterin das Evangelium zur Meditation vorgelegt bekam, das wir in diesem Jahr am 1. Adventsonntag hören: „Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. … Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit“ (Lk 21,25f). Und damit sollte ich nun einen ganzen Exerzitientag lang unterwegs sein! Nicht einfach.
Aber halt: Ja, da gibt es so manches in der Welt, was mich bestürzt und ratlos macht. Die Klimakrise. Die Flüchtlingskrise, besser gesagt wie wir, die reichen Länder, mit den flüchtenden Menschen umgehen. Die Pandemie. Die Kirchenkrise. Die Krise der Orden bei uns. Manche eigenen Lebensfragen. Die Liste ist lang. Ich teile die Bestürzung und Ratlosigkeit mit vielen Menschen.
Mein Glaube ist herausgefordert, darauf zu zählen, dass gerade dahinein Christus kommt. Nicht nur am Ende der Zeiten, sondern bereits hier und heute. Vielleicht gerade da, wo ich meine Ratlosigkeit zulasse und akzeptiere und bereit bin, Schritte in die Unsicherheit hinein zu gehen. Ich kann auch aktiv das Bild Jesu zwischen mich und die Angst machenden Situationen „schieben“ und daraus neue Kraft und Zuversicht schöpfen.
„Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe!“ (Lk 21,28). Ich möchte als aufrechter Mensch mich den Herausforderungen der Gegenwart stellen. Ich möchte den Kopf nicht hängen lassen, sondern immer wieder heben und die Wirklichkeit mit ihren schönen und ihren dunklen Seiten sehen. Ich möchte genau hinschauen, wo Gott vielleicht schon da ist, dort, wo ich nicht (mehr) mit ihm rechne. „Richtet euch auf und erhebt euer Haupt, denn es naht eure Erlösung“ – das könnte ein gutes Motto für den Advent 2021 sein.
Sr. Anneliese Herzig, Wien