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Aktuelles

Einmal ans andere Ende der Welt

Und schon sind acht Monate in Südamerika vergangen- eine Zeit voller neuer Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen. Ende Februar ging es für mich aus Deutschlands Winter los zu „meinem Abenteuer“ nach Chile, mit dem Ziel Puente Alto in Santiago.

Geplant war ein mehrmonatiger Freiwilligendienst im Kindergarten der Missionsschwestern vom Heiligsten Erlöser. Schon lange hatte ich den Wunsch eine Zeitlang im Ausland zu verbringen, ein anderes Land sowie dessen Menschen und entsprechend die Sprache, Kultur und Traditionen auf eine andere Art und Weise, als im Urlaub kennenzulernen. So startete ich meine erste Reise auf einen anderen Kontinent, sowohl mit etwas Wehmut aber natürlich auch mit Vorfreude und großer Neugier.

In Santiago de Chile wurde ich von Schwester Vicky, mit einem Namensschild in der Hand, am Flughafen empfangen. Die erste Zeit war es noch richtig warm und ich konnte bei Sommerwetter ankommen, die vielen neuen Eindrücke auf mich wirken lassen und mich in Ruhe in der Gemeinschaft der Schwestern in Puente Alto einleben. Dort habe ich mit Vicky und Flor, zwei chilenischen Schwestern und den beiden Schwestern Golda und Azu aus Bolivien, zusammengewohnt. Am Ende meines Aufenthaltes zog noch Schwester Maria Virgina in die Gemeinschaft ein. Durch die unterschiedlichen Herkünfte, das verschiedene Alter und die jeweils individuellen Charaktere der jeden Einzelnen, nahm ich das Zusammenleben als sehr bereichernd wahr. Für mich fühlte es sich an, wie in einer multikulturellen WG.

Ab dem ersten Tag fühlte ich mich sehr wohl und willkommen im Haus der Schwestern, welche mich mit einer Herzlichkeit und Offenheit aufnahmen, die mich beeindruckte. Ich hatte das Gefühl, einfach ein Teil ihrer Gemeinschaft sein zu dürfen und dazuzugehören. Dies machte mir den Start und das Einleben, sowie auch manch schwierige Momente während meiner Zeit, deutlich einfacher. Dabei stand es mir stets offenn an ihren täglichen religiösen Ritualen, wie dem morgendlichen Beten und Singen oder dem Besuch der Messe am Abend teilzunehmen. Schnell merkte ich, dass wohl auch meine Vorstellung eines „religiösen“ Lebens durchaus etwas veraltet ist und die christlichen Rituale eben ein Teil ihres Alltages sind, aber auch noch viel mehr dazugehört. Ebenso wurde gemeinsam gekocht, Spiele gespielt, Feste gefeiert, Ausflüge gemacht und eben einfach gelebt.

Durch meine Großtante, die ebenfalls Schwester der Gemeinschaft war und sehr lange Zeit in Chile gelebt hat, hatte meine Reise auch einen persönlichen familiären Bezug. Dementsprechend war es spannend, die Orte kennenzulernen, an denen sie viel Zeit verbracht hatte. Meine Mutter war ebenfalls vor genau 40 Jahren für einige Monate in Chile. Viele der Schwestern, die ich in Chile kennenlernen konnte, erinnerten sich an meine Großtante und meine Mutter und erzählten mir Geschichten von früher. Die erste Zeit war geprägt von sehr vielen neuen Eindrücken. Nicht nur die Sprache, sondern auch die Art und Weise des Lebens, die Traditionen und Gewohnheiten stellten einen großen Kontrast zu meinem bisherigen Leben dar. Besonders gut erinnere ich mich noch an den ersten Besuch mit den Schwestern auf dem Markt. Es herrschte ein buntes Treiben, die Leute riefen wild durcheinander und priesen ihre Ware an. Diese reichte von frischem Obst und Gemüse (dessen intensiver Geschmack mich sofort überzeugte!) über Kleidung bis hin zu Haushaltsartikeln- kurzum gibt es dort gefühlt alles, was man braucht. Im Gegensatz dazu kommt mir ein Marktbesuch in Deutschland nun schon fast langweilig vor und ich merkte, dass wir Deutschen doch wirklich häufig sehr ordnungsliebend und auch formell sind.

Mit der Zeit stellte ich aber auch immer wieder Gemeinsamkeiten der beiden Länder fest. Beispielsweise gibt es ähnliche „Filmklassiker“ oder auch das deutsche Wort „Kuchen“ ist geläufig in Chile. Ebenso direkt am Anfang lernte ich, dass die Chilenen tatsächlich ein „anderes“ Spanisch sprechen. Da wäre beispielsweise die beeindruckende Schnelligkeit des Sprechens mancher Chilenen, die Verwendung von Modismen, die nur in Chile genutzt werden bis hin zu den Verniedlichungsformen, die für ungefähr alle Wörter verwendet werden. Entsprechend herausfordernd war es für mich mit meinem Schulspanisch. So führte die Sprache auch hin und wieder zu einigen Frustrationen aber auch zu lustigen Momenten, in denen ich wieder mal etwas total verwechselte. Die Schwestern und Erzieherinnen im Kindergarten waren mir eine große Hilfe mit der Sprache, erklärten mir vieles (Schwester Flor auch auf Deutsch) und so konnte ich im Alltag an meinem Spanisch feilen. Insgesamt konnte ich erleben, dass der beste Weg eine Sprache zu lernen wohl definitiv vor Ort im Land ist und die Chilenen sehr hilfsbereit sind, mit einem kommunizieren möchten und es immer einen Weg gibt sich zu verständigen.

Nach den Sommerferien, Anfang März, startete das neue Kindergartenjahr. Die Schwestern betreiben einen Kindergarten mit drei Gruppen, direkt auf ihrem Grundstück. Dies machte natürlich erstens den Arbeitsweg sehr angenehm und zweitens konnten wir mittags schnell rüber ins Haus, wo immer schon eine der Schwestern etwas Leckeres gekocht hatte. Im Kindergarten der Schwestern gibt es drei Gruppen für Kinder von zwei bis sechs Jahren. Besonders die Überschaubarkeit des Kindergartens gefiel mir gut, jede Erzieherin kannte jedes Kind und häufig wurden gemeinsam Aktivitäten gemacht. Für mich herrschte ein „familiäres“ Klima und es wurde mit einer großen Herzlichkeit und Nähe gearbeitet. Dort unterwegs war ich dann als „tia Lena“ (Tante Lena) und wurde auch hier sehr herzlich ins Team aufgenommen. Im Kindergartenalltag konnte ich die Erzieherinnen bei ihrer Arbeit unterstützen, vor allem viel mit den Kids spielen und sowohl von ihnen als auch mit ihnen gemeinsam lernen. Besonders schön fand ich es dabei immer bei gutem Wetter mit allen Gruppen gemeinsam im Garten zu sein. Dabei wurde meistens nicht nur eine Runde gemeinsam Polizei gespielt- wobei ich fast jedes Mal die Rolle des Verbrechers bekam, das Gefängnis allerdings stets an einem Platz in der Sonne war und es häufig auch kleine Friseure oder Kosmetiker gab, die einen verschönerten. Häufig gab es auch Feste im Kindergarten, zu denen die Kids dann beispielsweise verkleidet kamen und gemeinsam gespielt, getanzt und gelacht wurde. Insgesamt hat mir die Arbeit im Kindergarten viel Spaß gemacht und es war spannend die Arbeitsweise und Struktur kennenzulernen.

Neben der Arbeit im Kindergarten wurde mir von den Schwestern auch die Möglichkeit gegeben, viel vom Land zu sehen. Besonders spannend war es für mich, während einer dreiwöchigen Reise, Schwestern der Gemeinschaft in Bolivien zu besuchen. Entsprechend konnte ich auch dem chilenischen Winter etwas entfliehen, der mich wettermäßig durchaus überraschte. Schnell merkte ich, dass sich die Kälte, auch wenn es insgesamt selten Minustemperaturen waren, ohne den Luxus einer Generalheizung sehr anders anfühlte. Ich glaube, ich hatte zuvor noch nie so viele Pullover übereinander an und unser deutscher „Standard“ in vielen Dingen wurde mir nochmal anders bewusst. Dementsprechend wurden stets mehrere Schichten übereinander angezogen und abends ein großer Wasserkessel aufgesetzt, um die Wärmflaschen zu füllen.

Mit einer anderen Chilenin zusammen reiste ich dann zunächst nach La Paz. Eine beeindruckende Stadt in einer beeindruckenden Höhe. Dort konnten wir im Haus einer Schwester der Gemeinschaft unterkommen und die Stadt erkunden, beispielsweise mit dem teleferico (Gondelbahn) von oben. Von dort aus ging es ins Tiefland von Bolivien, zu der Gemeinschaft der Schwestern in Rurrenabaque. Allein die ca. 9- stündige Fahrt dorthin war schon ein Abenteuer. In einem vollen Taxi ging es teilweise über Schotterpisten, durch kleine Dörfer und den Wechsel des Klimas beobachtend für mich, das erste Mal in einem tropischen Ort. Bolivien hat mich ebenso wie Chile fasziniert und ich hatte das Gefühl nochmal in einer völligen anderen Welt zu sein.

Auch dort wurden wir von den Schwestern mit einer beeindruckenden Herzlichkeit und Offenheit in ihr Haus aufgenommen. In dem idyllischen Örtchen wanderten wir durch den Urwald mit gigantischen Pflanzen, tranken aus Kokosnüssen frisch vom Baum und konnten selbst Zuckerrohrsaft herstellen.

In Chile konnte ich sowohl den Norden während einer dreiwöchigen Reise mit einer Freundin aus Deutschland erkunden als auch gemeinsam mit meinem Vater und meinen Bruder den Süden und somit Teile von Patagonien. Sowohl der Norden als auch der Süden sind unglaublich beeindruckend und es ist faszinierend, wie vielfältig und schön dieses Land ist. Chile hat mich persönlich auf sehr vielen Ebenen fasziniert. Sowohl die Landschaft, die durch die verschiedenen Klimazonen von der Wüste bis Patagonien und somit Gletschern und rauer Natur reicht, als auch die Menschen haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Immer wieder hat mich die Mentalität der Menschen, die ich während meiner Zeit in Südamerika kennenlernen durfte, begeistert. Eine Offenheit, Herzlichkeit, Lebensfreude und für mein Gefühl deutlich weniger Misstrauen und mehr Nähe und Vertrauen in das Gute, als ich es oftmals aus Deutschland kannte. Ich hatte das Gefühl, dass Materielles weniger im Mittelpunkt und gemeinsame Zeit und die Gemeinschaft an sich mehr in den Vordergrund rückt und das Leben zeitweise einfach etwas gemächlicher angegangen wird. Meine Zeit in Chile hat meinen Blick auf vieles verändert und mir Denkanstöße gegeben. Auch nachdem ich nun wieder in Deutschland bin, glaube ich, dauert das Verarbeiten der vielen Eindrücke und gesammelten Erlebnisse noch an und diese wirken noch nach. Ich bin sehr froh, dass ich die Möglichkeit für dieses Abenteuer bekommen habe, so vielen neue Erfahrungen und Erlebnisse sammeln durfte. Ich bin den Schwestern sehr dankbar für diese Möglichkeit und die gemeinsame Zeit! Es war toll Chile von so vielen Seiten, die Kultur und die Menschen kennenzulernen und ich bin mir sicher, dass ich diese acht Monate nicht vergessen werde! Entsprechend „muchas gracias por todo“ an die Gemeinschaft und alle Schwestern, die mir diese Zeit ermöglicht haben!

Lena Bußmann