„Zu den glücklichsten Augenblicken, die ein Menschenherz erleben kann, gehört der Moment, in dem man in sein Land zurückkehrt“ (Rigoberta Menchú Tum)
Diesen Satz von einem Abreißkalender legte mir eine Mitschwester vor meine Zimmertür – einige Tage bevor ich meinen Heimaturlaub in Chile angetreten habe. Vor kurzem bin ich nach ca. 5 Wochen Aufenthalt im winterlichen Chile in den Hochsommer Deutschlands zurückgekommen und ich kann voll und ganz dem Zitat zustimmen.
Eine große Freude war für mich die Zeit mit meiner 89 jährigen Mutter und meinen 4 Geschwistern und ihren Familien. Die Begegnung mit meinen Mitschwestern in Chile und mit Freunden wird noch lange nachklingen.
Die Aussage von Rigoberta Menschu hat mich in diesen Tagen, wo ich wieder meine Arbeit als Seelsorgerin im katholischen Pfarrverband Waldkraiburg aufgenommen habe, nachdenken lassen: was für ein Glück habe ich, was für ein Privileg ist mir geschenkt, dass ich über die Grenzen ohne Sorge und ohne Angst fliegen und gehen konnte.
Ich kann nichts dafür, dass ich in Chile geboren wurde, genauso wenig wie beispielsweise Mustafa nichts dafür kann, dass er in Somalia zur Welt kam und jetzt in Deutschland als Asylsuchender lebt. Gioconda Belli aus Nicaragua benennt diese Realität in einem Gedicht: „Man sucht sich das Land seiner Geburt nicht aus, und liebt doch das Land, wo man geboren wurde. ….Wir suchen den Zeitpunkt nicht aus, zu dem wir die Welt betreten, aber gestalten können wir diese Welt, worin das Samenkorn wächst, das wir in uns tragen.“
Ich habe eine Niederlassungserlaubnis in Deutschland und habe einen chilenischen Pass. Ich kann jeder Zeit in meine Heimat zurückkehren und kann jeder Zeit nach Deutschland – meiner zweiten Heimat seit 16 Jahren.
Ich habe dort und hier ein Zuhause; dort und hier gibt es Menschen, die mir Nahe stehen. Ich spreche Deutsch und Spanisch, ich habe einen Arbeitsvertrag hier in Deutschland und meine Arbeit erfüllt mich mit Freude. Diese Wirklichkeit teile ich mit vielen Mitschwestern, die einen Auftrag von unserer Gemeinschaft im Ausland haben, in Japan, in Bolivien, in Österreich, in Chile, in Deutschland und auch in der Ukraine.
Diese Tatsache stimmt mich dankbar und verpflichtet mich gleichzeitig gegenüber vielen Menschen, die ihr Leben täglich aufs Spiel setzen, um eine Grenze zu passieren. In Waldkraiburg, wo hunderte von Asylsuchende untergebracht sind, werde ich immer wieder erinnert und herausgefordert, konkret etwas zu tun. Mir ist bewusst, dass meine Situation als Ausländerin in Deutschland sich von der Wirklichkeit der Asylsuchenden in vielerlei Hinsicht unterscheidet, trotzdem identifiziere ich mich mit ihnen.
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus wünsche ich all denen, die ihre Heimat verlassen, Vieles zurück lassen und sich auf den Weg in die Fremde begeben, dass sie eine zweite Heimat finden.
Sr. Marlene Parra Mena, Stadl