Obwohl es keine sehr typische Adventsgeschichte ist, verbinde ich seit vielen Jahren die kurze chassidische Erzählung stark mit Advent und damit, was diese Zeit für mich bedeutet.
“Rabbi Mendel von Kozk überraschte einst einige gelehrte Männer, die bei ihm zu Gast waren, mit der Frage: ‘Wo wohnt Gott?’ Sie lachten über ihn: ‘Wie redet Ihr! Ist doch die Welt seiner Herrlichkeit voll!’ Er aber beantwortete die eigene Frage: ‘Gott wohnt, wo man ihn einlässt.’ Das ist es worauf es letztlich ankommt: Gott einlassen. Man kann ihn aber nur da einlassen, wo man steht, da wo man lebt, wo man ein wahres Leben lebt…“ (aus: Martin Buber, Der Weg des Menschen in der chassidischen Lehre).
Jedes Jahr neu lädt die Zeit des Advents ein, uns vorzubereiten auf das Fest der Menschwerdung unseres Gottes, der uns als Kind in der Krippe nahekommen will und so unser Menschenschicksal teilt. Die adventlichen Texte im Stundengebet und in den Gottesdiensten sprechen viel von der sehnsuchtsvollen Erwartung des Messias, auf den die Menschheit seit jeher in all ihren Nöten und Bedrängnissen ihre Hoffnung setzt.
Gott einlassen – das bedeutet für mich, meiner Sehnsucht zu trauen und mein Herz zu öffnen für Gott, damit ich mich in der Tiefe meiner Seele berühren lasse, zu mir selber finde und zu den wahren Werten meines Lebens
Gott einlassen – das bedeutet für mich, offen zu sein für die Überraschungen des Lebens, aufzuhören zu meinen, dass ich meinen Glauben und Gott ein für alle Mal besitze, sondern bereit zu sein, mich immer wieder neu auf die Suche zu machen
Gott einlassen – das bedeutet für mich, alle meine Hoffnung auf Gott zu setzen in den vielen Ungereimtheiten des Lebens im großen und im kleinen Weltgeschehen und wirklich auf ihn zu vertrauen
Gott einlassen – das bedeutet, mich einzusetzen für mehr Gerechtigkeit und Frieden in unserer oft so kalten und friedlos gewordenen Welt und die Türen für meine Mitmenschen zu öffnen
Gott einlassen – darin liegt für mich vielleicht die größte Herausforderung der Weihnachtsbotschaft, wenn ich bereit bin, wirklich hinzuhören
Ich möchte mir wieder neu Zeit nehmen, etwas abseits vom Vorweihnachtsrummel und den vielen Verpflichtungen, die mir oft so wichtig erscheinen, hinzuspüren welche Türen von ihren Schlössern befreit werden wollen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine Gesegnete Zeit des Advents!
Sr. Margret Obereder