Eigentlich sollte ich dieser Tage einen kurzen Bericht über Abschied und Neuanfang schreiben. Nun, innerhalb kürzester Zeit ist alles anders geworden, sind alle Planungen über den Haufen geworfen. Aus dem Abschied in Wien und Neuanfang in München ist ein „Übergang mit gepackten Koffern“ geworden: nicht real, aber innerlich habe ich schon gepackt, mich von lieben Menschen in Wien verabschiedet, in München mein Zimmer schon ein Stück weit so eingerichtet, wie es künftig werden soll. Aber physisch bin ich noch in Wien, versuche, noch abzuwickeln und aufzuräumen, was innerhalb der Vorgabe „das Haus besser nicht verlassen“ noch möglich ist.
Es ist Übergangszeit, Krisenzeit, vielleicht eine Form von „Pascha“: irgendwo angesiedelt zwischen „Nicht mehr“ und „Noch nicht“. Ich spüre, dass ich manchmal Gefahr laufe, buchstäblich den Boden unter den Füßen zu verlieren. Die Kontakte, die Beziehungen hier in Wien sind mit dem Abschiednehmen – zumindest vorerst – beendet und sollten gegebenenfalls wieder aufleben, wenn ich an meinem neuen Einsatzort angekommen bin. Und dort? Ja, die Kontakte mit den Mitschwestern in der neuen Hausgemeinschaft bestehen, wir denken aneinander, sind im Gespräch und müssen mit dieser Situation leben. Dennoch – von Beheimatung noch weit entfernt, eine sinnvolle Aufgabe und neue Arbeitsstelle zeitlich ebenso wenig planbar wie der endgültige Umzug nach München. Was gibt da noch Halt?
Mir tut gut, dass ganz viele soziale Beziehungen (auch) über Telefon und Internet-Netzwerke weiter- oder neu aufleben: Telefonate mit Menschen, die ich schon länger nicht – jedenfalls nicht so ausführlich – gesprochen habe, in der Hausgemeinschaft packen wir manche Spiele aus, die schon beinahe verstaubt in der Schublade liegen, es entstehen allerorts Gebets- und Unterstützungs-Netzwerke, die uns untereinander verbinden und damit Zeugnis von Solidarität – ja, von gelebtem Glauben sind. Und ich nehme wahr, dass in all unseren Gebeten und Aktionen verstärkt jene Menschen Platz haben, die sich in einer schwierigeren Situation befinden als ich oder wir in unserer Ordensgemeinschaft: Menschen, für die der Umgang mit der Corona-Krise zur existenziellen Frage wird. Ob wir es wollen oder nicht: Prioritäten verschieben sich, Entschleunigung ist angesagt, mit zeitlich ungewissem Ende. Mir persönlich hilft das, wieder mehr zu meinen Quellen zu finden, meine Gottesbeziehung und meine Gebetspraxis zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu gestalten. Ist es nicht passend, dass diese Zeit genau mit der Fastenzeit, der Vorbereitungszeit auf Ostern, zusammentrifft? Ich denke, wir Christinnen und Christen dürfen gerade jetzt auf ein „Ostern“ hoffen: auf ein Ende des Ausnahmezustands, der Einschränkung, des „Fastens“ in vielerlei Hinsicht, wann auch immer. Ja, womöglich mit schmerzhaften Verlusten, wenn vielleicht liebe Menschen aus unserem Umfeld dem Virus erliegen oder die Folgen der Krise für uns existenziell bedrohlich werden. Und doch mit der Zuversicht, die an Ostern aufstrahlen und – so ist unser Glaube – sich erfüllen wird: ER, der selbst durch Leid und Tod gegangen ist, wird bei uns sein, alle Tage, bis ans Ende der Welt!
Sr. Renate Drexler, Wien